5 Tage Süd-Norwegen

den Film gibt es bei Vimeo (Kennwort: Bovistop), den Sway (Reisebericht online) gibt es hier.

Hochzeitsreise 2.0 solo

Am Tag unserer standesamtlichen Hochzeit vor genau 30 Jahren erlebten wir in
Lübeck den regenreichsten Tag des Jahres. Also wurden die Fährtickets für unsere
anschließenden Flitterwochen nach Norwegen kurzerhand storniert und wir sind mit
dem Wohnmobil nach Süditalien gefahren. Tatsächlich haben wir dadurch den
Jahrhundertsommer mit monatelangem Sonnenschein in Skandinavien verpasst und
sind danach bis heute nicht mehr in Norwegen gewesen.

30 Jahre später hatte ich 5 freie Tage. Und die beste Ehefrau von allen mußte wegen
wichtiger persönlicher Terminen zu Zuhause bleiben. Kurzfristig fand sich auch kein
motorradaffiner Mitfahrer, die Wetter-App zeigte mindesten 3 sonnige Tage in Süd-
Norwegen und so bin ich solo zu unserer Hochzeitsreise 2.0 aufgebrochen.

1. Grenzen neu erfahren

Am Abend zuvor war ich bis 21.00 Uhr beruflich eingespannt,
bevor ich innerhalb einer Stunde das Nötigste
zusammengekramt habe. Das komplette Gepäck inklusive Zelt
und Notverpflegung wurde auf meine Ducati gezurrt und
morgens um 5.00 Uhr bei trüb-feuchtem Himmel ging es los.
Um halb neun war ich in Dänemark, an der Grenze wurde ich
durchgewunken.

Es hätte auch anders kommen können: auf der Fähre nach
Norwegen habe ich von Mitreisenden erfahren, dass erst seit
wenigen Tagen die Reisebeschränkungen aufgehoben worden
sind. In Pandemiezeiten sind Grenzübertritte wieder spannend
geworden.

Durch Dänemark führten mich Calimoto, die Margeritenrouten
und der TET Dänemark über kleinste Wege in den Norden nach
Hirtshals. Besonders idyllisch zeigte sich Dänemark auf Höhe
von Aarhus mit vielen blitzsauberen Bauernhöfen in hügeliger
Landschaft und freundlich lächelnden Einheimischen. Eine
Mittagsrast mit Nickerchen war obligatorisch.

Kurz vor meinem morgigen Fährhafen Hirtshals übernachtete
ich in einem gepflegten Gästehaus.

2. Überflug nach Kristiansand

Die Katamaranfähre katapultierte uns früh am nächsten
Morgen ohne Schaukelei innerhalb von 2 1/2 Stunden über
das Skagerak

3. Wälder und Seen in der Telemark

Nach einer unkomplizierten Einreisekontrolle in Kristiansand
(Impfzeugnis und Personalausweis) begann gleich hinter der
Stadtgrenze die norwegische Bilderbuchlandschaft mit
unendlich vielen Seen, einsamen Wäldern und einzeln
verstreuten Siedlungen.

Spontan fand ich gegen Abend einen Campingplatz, auf dem
ich als einziger (!) Gast die schönste Hütte mit herrlichem Blick
über einen See beziehen konnte. Kleiner Haken: es handelte
sich um einen der wenigen Orte im durchdigitalisierten
Norwegen ohne LTE-Empfang. Der gigantische Ausblick über
den See in der tiefstehenden Sonne entschädigte für das
verpasste Endspiel der Fußball-Europameisterschaft zwischen
Italien und England. Das Abendessen entsprach
norwegischem Standard, sowohl in Hinsicht auf die Qualität
der Tiefkühlpizza als auch preislich (umgerechnet 30.- Euro ...).

4. Fjells und der erste Schnee

Am nächsten Morgen empfing mich wieder warmes und
sonniges Wetter. In aller Ruhe packte ich mein Mopped und
fuhr weiter auf einsamen Schotterpisten.

Nach einer netten Serpentinenstrecken in der Nähe des
Telemarkskanals bei Dalen kletterte das Nebensträßchen
hinter Haukeli auf das gleichnamige Fjell mit ersten
schneebedeckten Nordhängen auf gerade mal 1400 m
Seehöhe, mitten im Juli!

Die Nebenstrecke über den Røldal-Pass ist definitiv eine
Empfehlung wert: in entspannenden Kurven schraubt sich das
einspurige Asphaltband durch Almwiesen und steil
aufragenden Felsen in die Höhe.

Anschließend folgt eine traumhafte Strecke über den Sattel
hinunter nach Skare - immer im Blick der Gletscher
"Folgefonna", das heutige Tagesziel.

5. Wanderung zum Gletscher "Folgefonna"

In Odda unterhalb des Folgefonna entschied ich mich für eine
bodenständige Unterkunft auf einem Campingplatz. Das dort
angebotene winzige 3-qm-Zimmerchen ohne Badezimmer für
120 Euro/Nacht statt 20,- Euro für mein Zelt war mir doch
etwas happig ...

Der Wecker summte am nächsten Morgen um 4.30 Uhr.
Zunächst fuhr ich in Wanderklamotten eine Viertelstunde nach
"Buer", ein paar Bauernhöfen im Tal auf 250 m Seehöhe
unterhalb einer Gletscherzunge des "Folgefonna". Eine
Hinweistafel gibt interessante Einblicke in die Geschichte des
Gletschers (37 x 16 km groß, 300 m dick, nach starkem
Rückgang über hundert Jahre in den letzten Jahren wieder
wachsend!).

Während der vierstündigen Wanderung - anfangs durch einen
verwunschenen Wald, später über grobes Geröll und glatte
Felsen mit Überquerung mehrerer Wildbäche - habe ich keine
Menschenseele getroffen. Die Stimmung unterhalb des
Gletschers mit seinen blauen Spalten an der Abbruchkante
war einmalig.

Aufgrund des ungeplanten Ausflugs mußte ich bei der
Ausrüstung improvisieren: mit Turnschuhen und einer zum
Rucksack umgebauten Motorrad-Seitentasche ... Als
norddeutscher Flachlandtiroler empfand ich den Weg zum
Folgefonna herausfordernd, aber gut machbar.

Auf der Weiterfahrt Richtung Süden gab es dann noch einen
beeindruckenden Blick zurück.

6. Fjorde

Den Abschluß der Kurzreise bildete die Fjordlandschaft im
Südwesten. Über karge Fjells erreichte ich die dritte
Übernachtung am Lysefjord. Die guten Bewertungen dürfen
nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine bezahlbare
Unterkünfte (unter 100,- Euro/Nacht) in Norwegen zwar
sauber, aber hinsichtlich der Ausstattung eher düftig ist. In
diesem Fall war das Gemeinschaftsbad über den Hof im
Hauptgebäude, für viele von uns Mitteleuropäern nicht
akzeptabel.

Am nächsten Morgen hatte ich bereits um 6.30 Uhr die
Linienfähre durch den Lysefjord gebucht, lediglich 5,- statt der
50,- Euro für die Touristenschaukel überzeugten sogar mich als
Nichtschwaben. Der Lohn der unwirtlichen Weckzeit: Die
Stimmung am Fjord war magisch! Wie an einer Schnur
gezogen glitt die Fähre fast lautlos über das Wasser.
Zwischendurch gab es einen Blick auf eine der längsten
Holztreppen der Welt in Flørli (4444 Stufen) und in der Ferne
auf den Kjerag mit seinem zwischen 2 Felswänden
eingeklemmten Granitbrocken. Eine Wanderung dorthin sowie
zum berühmten "Preikestolen", einer Felsplattform 604 m über
dem Fjord, habe ich mir aus Zeitgründen für das nächste Mal
aufgehoben.

Am Ende des Lysefjord beginnt der Lysevegen mit seiner 900
Höhenmeter ansteigenden, 27-fachen Serpentinenstrecke. Die
zweite 180° - Haarnadel ist als Tunnel senkrecht in den Berg
gebaut. Und auch hier aufgrund der Tageszeit und des fiesen
Virus kaum Verkehr! Anschließend beeindruckten wieder
einmal einsam-felsige Fjells, bevor ich lieblichere Gefilde
erreichte.

Am Fedafjord gab es nochmal Abendstimmung vom Feinsten.
Meine letzte Unterkunft in Norwegen fand ich Im "Fosseland
Vandrerhjem".

7. Rückfahrt

Die Fähre zurück nach Dänemark legte erst um 13.30 Uhr ab.
So konnte ich in aller Ruhe entlang der Südküste zuckeln:
Felsen, Wälder, Wasser und malerische Ortschaften wechselten
sich permanent ab.

Und immer wieder interessante Entdeckungen am Wegesrand:

Am Abend kurz vor Mitternacht bin ich tiefenentspannt zu
Hause angekommen.

Der Link zur Route bei "kurviger.de"





Kennwort: Bovistop